Die Weihnachtszeit Die Legende vom Nikolaus Ihr glaubt nicht an den Nikolaus? Ihr denkt, es wäre eine Märchenfigur, die man den kleinen Kindern erzählt, damit sie lieb und brav sind? Nun, das Drohen: "Wart nur, der Nikolaus kommt bald!", gehörte und gehört seit vielen Generationen zum Ausspruch Erwachsener, wenn Kinder so gar nicht gehorchen wollen. Und doch, den Nikolaus hat es wirklich gegeben. Und von dem möchte ich euch erzählen. In Kleinasien, in der heutigen Türkei, liegt die kleine Stadt Myra an der Küste des Mittelmeeres. In dieser Stadt lebte vor vielen hundert Jahren ein Bischof mit dem Namen Nikolaus. Er war bei Alt und Jung sehr beliebt. Am meisten aber mochten ihn die Kinder, weil er ihnen gern und oft etwas Gutes tat, ihnen Obst oder andere Leckereien zusteckte. In einem Jahr aber geschah etwas Außergewöhnliches. Die Ernte war wegen lang anhaltender Trockenheit sehr schlecht gewesen. Die Bauern hatten wenig Korn und Weizen ernten können und in den Gärten der Leute war ebenfalls vieles verdorrt. Die Menschen litten Hunger. Noch verzweifelten sie nicht, denn es sollten Schiffe mit Getreide zu ihnen unterwegs sein. Aber wie lange sollten sie noch warten? Besonders die Kinder litten unter dem schrecklichen Hunger. Jeden Tag liefen sie, nur mit einem Schluck Wasser im knurrenden Bäuchlein, hinaus, um nach den Schiffen Ausschau zu halten. Und jeden Abend kehrten sie noch matter als am Morgen zu ihren Eltern zurück. Lange würden sie das nicht mehr aushalten. Mussten sie alle vor Hunger sterben? Wieder einmal brach ein neuer Morgen an. Die Menschen zogen nach der Kirche mit ihrem Bischof hinunter zum Hafen, um für die baldige Ankunft der Schiffe zu beten. Ein paar Kinder waren vorgerannt, um die begehrten Plätze auf den wenigen Bäumen am Hafen zu bekommen. Plötzlich schrien sie ganz aufgeregt: "Schaut! Ganz hinten am Horizont! Weiße Segel! Hurra! Die Schiffe kommen!" Erleichtert fielen sich die Menschen in die Arme. Aber was war das? Warum fuhren die Schiffe so schrecklich langsam? Entsetzt sahen die Menschen, dass sich schnelle Schiffe vor die schwerbeladenen schoben und den Hafen in einem weiten Rund abriegelten. Seeräuber! Ach, die Verzweiflung der Menschen in Myra wollte kein Ende nehmen. Jetzt löste sich ein Piratenschiff aus der Kette, segelte näher, und der Seeräuberkapitän erschien auf den Planken. "Leute von Myra", rief er mit furchterregender Stimme, füllt mir dieses Boot bis an den Rand mit Gold, wenn die Kornschiffe zu euch kommen sollen!" Ach, die Menschen von Myra hatten doch längst keine Reichtümer mehr! Die wenigen Ringe, Goldstücke, Armbänder, die sie jetzt hastig zusammensuchten, bedeckten gerade mal den Boden des Seeräuberschiffs! Höhnisch lachte der Seeräuberkapitän sein grausiges Lachen. "Bitte, lasst die Schiffe zu uns fahren! Lasst uns nicht alle elend vor Hunger sterben!", bettelten die Leute. "Denkt an unsere armen, hungrigen Kinder!", schluchzten die verzweifelten Eltern. Einige Minuten lang schien sich der Seeräuberkapitän zu besinnen:" Gut, sagte er schließlich, "gebt mir für jedes fehlende Pfund Gold ein Kind. Ich werde die Kinder als Sklaven verkaufen, dann komme ich doch noch zu meinem Gold. Eine Stunde gebe ich euch Zeit. Sind die Kinder bis dahin nicht auf meinem Schiff, wisst ihr, was geschieht." Die Kinder klammerten sich verzweifelt an ihre Eltern. Verkaufen wollte sie dieser schreckliche Mann?! Gab es denn keine Rettung? Wo war nur ihr Beschützer, der gute Bischof Nikolaus? Nirgends zu sehen. Schon hörte man Stimmen:" Los, gebt die Kinder her! Besser wir trennen uns von ihnen, als dass wir alle vor Hunger sterben." Starr vor Schreck hielten sich die Kinder, die auf die Bäume geklettert waren, hinter den Blättern versteckt. "Seid still, damit sie uns nicht entdecken!", flüsterte einer von ihnen. Aber da wies schon einer der Bürger Myras nach ihnen: "Holt sie runter!", rief er. "Wieder ein paar mehr." Und tatsächlich, die ersten schreienden Kinder waren schon von den Einwohnern zu den Planken des Seeräuberschiffes gebracht worden. "Halt!", rief da ein Mann. "Gebt die Kinder zurück!" Es war der gute Bischof Nikolaus und in seinen Armen trug er Gold, so viel er tragen konnte. Hinter ihm keuchte sein alter Knecht, der Ruprecht. Auch er schleppte in seinen Armen, Leuchter, Kreuze, Taufgeschirr, alles aus reinem Gold. Der grausige Seeräuberkapitän wollte seinen Augen nicht trauen. Nur schnell her mit dem vielen Gold und dann nichts wie weg! Die Kinder ließ er dafür gerne wieder frei. Bald löste sich die Kette der Piratenschiffe auf und die großen Getreideschiffe konnten in den Hafen einlaufen. Dankbar fielen die Einwohner von Myra auf die Knie. Der Bischof Nikolaus hatte allen geholfen. Freilich, in der Bischofskirche gab es keine Schätze mehr. Nikolaus aber war glücklich, dass er die Kinder hatte retten können. Das alles ist vor vielen hundert Jahren geschehen. Der Bischof Nikolaus ist am 6. Dezember gestorben. Zur Erinnerung an ihn und weil ihm die Kinder immer ganz wichtig waren, gedenken wir seiner an seinem Todestag und lassen für die kleinen Kinder einen Nikolaus kommen, der Geschenke bereit hält.